Pränatale Strahlenexposition aus medizinischer Indikation
Dosisermittlung, Folgerungen für die Ärztin/den Arzt und Schwangere
Dieser Bericht soll Ärztinnen und Ärzten oder den MPE, in deren Zuständigkeitsbereich die Exposition einer Schwangeren aus medizinischer Indikation erfolgte oder aus zwingender Indikation eine Untersuchung oder Therapie erfolgen soll, Hinweise über die Höhe der Dosis für das ungeborene Kind und für das weitere Verhalten geben. Generell gilt, dass die Anwendung ionisierender Strahlung bei Schwangeren in der Diagnostik möglichst vermieden und Alternativen genutzt werden sollen. In Tabelle 1 findet sich eine Zusammenstellung der Korrelationen zwischen Dosis und möglichen Schädigungen für den Embryo bzw. Fetus.
Anhand vieler praktischer Erfahrungen ist bekannt, dass in der Röntgendiagnostik und in der diagnostischen Anwendung von Radionukliden in deutlich über 95 % der Fälle nur ein vernachlässigbar geringes Risiko für eine Schädigung des Embryos bzw. Feten im Sinne einer Fehlbildung vorliegt, da die mit der Untersuchung verbundenen Strahlendosen sehr niedrig sind. Es ist also sinnvoll, schnell feststellen zu können, ob ein individueller Fall in diese große Gruppe fällt, bei der keine Gefährdung des Embryos oder Feten vorliegt. Ist dies der Fall, so soll die Schwangere von der Ärztin/dem Arzt, die/der die Exposition durchgeführt hat, sogleich davon unterrichtet werden, damit Ängste gar nicht erst entstehen.
Wegweisend für das stufenweise Vorgehen ist ein Konzept des Ausschusses für Strahlenschutz der DRG aus dem Jahr 1980 [1]. Die am Uterus wirksame Dosis wird der Höhe nach in zwei Stufen unterteilt und eine entsprechend abgestufte Vorgehensweise zur Ermittlung der Dosis empfohlen. Für das praktische Vorgehen finden sich in den Tabellen 3 bis 5 sowie Tabelle 8 Schätzwerte der Dosis des Ungeborenen bei röntgendiagnostischen und nuklearmedizinischen Verfahren und Anleitungen zur Handhabung. Dieses Konzept gewährleistet, dass die Abschätzung der Dosis des Ungeborenen sehr schnell erfolgen kann und erhöht damit die Sicherheit vor Fehleinschätzungen des mit der Untersuchung verbundenen Strahlenrisikos.
Wird die Stufe I des Zwei-Stufenkonzepts (siehe Kap. 3, Dosis für das Ungeborene bis 20 mSv) nicht überschritten, so ist ein Risiko für das Auftreten von Fehlbildungen einschließlich einer geistigen Retardierung vernachlässigbar gering. Das Risiko der Erhöhung der postnatalen Tumorrate ist so gering, dass es weit unter den Risiken liegt, denen ein Embryo oder Fetus in utero normalerweise auch ohne zusätzliche Strahlenexposition ausgesetzt ist. Der Wert 20 mSv liegt deutlich unterhalb der Dosiswerte, bei denen Fehlbildungen sowie geistige Retardierung als möglich angesehen werden. Diese liegen oberhalb von 100 mGy (entspricht 100 mSv bei locker ionisierender Strahlung), siehe Tab. 1. Der große Unterschied ist gewählt worden, um den mit den tabellierten Dosiskoeffizienten verbundenen Unsicherheiten Rechnung zu tragen. Liegt die geschätzte Dosis am Uterus also nicht über 20 mSv (Stufe I des Zwei-Stufenkonzepts, über 95 % aller Fälle), so fertigt die Ärztin/der Arzt ein Protokoll an, in dem die Ergebnisse der Dosisschätzung niedergelegt sind und in dem außerdem vermerkt ist, dass die Schwangere unterrichtet ist, dass eine Gefahr, die sich aus der Strahlenexposition ergeben könnte, für das Kind nicht besteht. Eine strahlenbiologisch begründete Indikation für einen Abbruch der Schwangerschaft liegt in diesem Dosisbereich nicht vor. Es ist bekannt, dass von anderen ärztlichen Fachdisziplinen gelegentlich gegensätzliche Auffassungen vertreten werden und unbenommen der bestehenden fachlichen Basis in Schwangerschaftsabbruch empfohlen wird. In diesem Fall hat die Ärztin/der Arzt, die/der die Exposition verantwortet hat, die Aufgabe, diesen gegensätzlichen Auffassungen zum Wohle der Schwangeren und des sich entwickelnden Kindes entgegenzutreten.
Ist der Schätzwert der Dosis des Ungeborenen größer als 20 mSv, dann soll gemäß dem in Kap. 3 näher erläuterten Stufenkonzept gehandelt werden. Steht aus strahlenbiologischer Sicht eine Interruptio nicht komplett außer Frage, sollte das weitere Vorgehen in einem interdisziplinären Konsil geklärt werden.
Der Bericht kann auf der Homepage der DGMP (www.dgmp.de) kostenlos heruntergeladen werden. Von den Geschäftsstellen der DGMP und DRG können ausgedruckte Exemplare angefordert werden.
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